Hitler-Jugend in der Schule: "Die Fahne ist mehr als der Tod"

„Die Fahne hoch“! Zum Fahnenappell in der Schule mussten Jungen und Mädchen mit ihren Lehrern auf dem Schulhof in Reih und Glied strammstehen und die Hakenkreuzfahne mit „Heil Hitler“ grüßen. Es  wurde das Fahnenlied gesungen (Refrain):
„Unsere Fahne flattert uns voran. Unsere Fahne ist die neue Zeit. Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit! Ja, die Fahne ist mehr als der Tod“. https://jugend1918-1945.de/portal/Jugend/thema.aspx?bereich=archiv&root=26636&id=4927 (18.10.2019)
Die 10- bis 18-Jährigen dachten nicht daran, wie ernst die letzte Zeile gemeint war. In einem anderen von der SA übernommenen Lied hieß es: „… wenn das Judenblut vom Messer spritzt, dann ist das doppelt gut“.
Plakat von 1936, privat


Rassenkunde statt humanistische Bildung

Lesezeit: 90 Sekunden

Ab 1936/37 gestalten die Nazis den Schulunterricht mehr und mehr um. Hitler-Fotos im Klassenraum, Hakenkreuzfahnen in und vor der Schule gehörten zum Alltag.  Im „gesinnungsbildenden" Fach Deutsch traten Rechtschreibung, Grammatik und  Literatur zurück. Stattdessen wurde das Deutsche Vaterland und die Helden der deutschen Geschichte hervorgehoben.  Der Geschichtsunterricht  wurde eingeschränkt – statt Weltgeschichte nur noch deutsche Geschichte mit Schwerpunkt  „Überlegenheit der nordischen Rasse". Neu im Biologieunterricht  der Nationalsozialisten waren  "Vererbungslehre" und "Rassenkunde“ – ein Fach in dem pseudowissenschaftliche Behauptungen verbreitet wurden, die von der seriösen Wissenschaft abgelehnt wurden und werden. https://de.wikipedia.org/wiki/Rassentheorie (18.10. 2019). Statt Erwerb von Wissen galt als nationalsozialistisches Ideal  die "körperliche Ertüchtigung“ – die Zahl der Sportstunden stieg  von 2 auf 4 -6 Stunden in der Woche.  Die klassisch-humanistische Bildung wurde als "undeutsch" abgelehnt. Siehe Bernhard Struck:
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/alltagsleben/schule.html (aufgerufen 18. 10. 2019)

 

Hitler-Jungen mit Braunhemd, kurzer schwarzer Hose,  Koppel (Lederriemen über der Schulter),  Fahrtenmesser am Gürtel,  Armbinde mit Hakenkreuz auf weißem Streifen im Unterricht 1938. Zweiter von links:  Hitler-Junge in der Uniform der Marine-HJ. Doppelwinkel auf dem Ärmel = Jugendführer.
Niedersächsisches Landesarchiv KB396/26 A

 

Hannoversche Schulen im Nationalsozialismus
Nach Meinung des Reichsjugendführers von Schirach war „ein Lehrer von vornherein sowenig als Führer der Jugend geeignet als irgendein anderer Volksgenosse“  (Arno Klönne, Jugend im Dritten Reich, S. 53). Obwohl  Lehrer offensichtlich  nicht besonders geschätzt wurden,  traten 97% aller Schullehrer dem Nationalsozialistischen Lehrerbund bei. Ein Drittel aller Lehrer waren Parteigenossen.  Nicht ns-freundliche und jüdische Schul-Lehrer und Hochschullehrer wurden auf Anordnung des aus Hannover stammenden Preußischen Kulturministers Bernhard Rust vom Schuldienst entlassen. Ab 1936 boten Herschelschule und Humboldtschule eine Beratungsstelle für  „Luftfahrtpflege“ in den städtischen Schulen. 1939: Die  Bismarckschule wurde  Lazarett. (Geschichte der Stadt Hannover, Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein, Schlütersche Verlagsbuchhandlung, Hannover,  1994)

Die Leibnizschule zeigte sich den neuen Machthabern besonders ergeben: Der Direktor der Schule, Fritz Heiligenstaedt, meldete die „Reinigung“ der Schulbibliothek und übergab massenweise liberale Literatur zur Bücherverbrennung am Bismarckturm –  Link -> „Bücher brennen“
-> https://de.wikipedia.org/wiki/Leibnizschule_Hannover  (aufgerufen 18.10.2019)
Die katholische Bonifatiusschule bekam am 17.10. 1933 einen neuen Rektor: Schneemann war ein begeisterter Nationalsozialist und erschien häufig in SA-Uniform in der Schule. Er zwang die  Schüler*innen, geschlossen in die Hitler-Jugend und in den BDM einzutreten. Der Hitler-Jugenddienst wurde so angesetzt, dass er sich mit dem sonntäglichen Morgengottesdienst deckte. htpps://bonifatiusschule-hannover.de/schulprofil/geschichte-der-schule.html (aufgerufen 18.10. 2019)
Die Freie Waldorfschule wurde zur Versuchsschule degradiert und im April 1939 geschlossen. Schüler des  Ratsgymnasiums widersetzten sich ihrem nationalsozialistischen Geschichtslehrer, der daraufhin entlassen wurde. 1937 bestand der letzte jüdische Schüler (Israel Schul) das Abitur. Im Kaiser-Wilhelm-Gymnasium wurde der Direktor Hoesch fast entlassen, weil ein Schüler einen  Aufsatz  über die Pressefreiheit schrieb.  https://de.wikipedia.org/wiki/Kaiser-Wilhelm_und_Ratsgymnasium_Hannover (aufgerufen 18.10. 2019)

Nach der Machtübernahme der Nazis wurden neue Schulfächer eingeführt: „Deutsche Vorgeschichte“, „Erblehre“ und „Rassenkunde“. Im Schulalltag wurden jüdische Mitschüler vor der Klasse gedemütigt. Auf der Wandtafel steht in Deutscher Schreibschrift: “Der Jude ist unser größter Feind. Hütet Euch vor den Juden“. Rechts mit gesenktem Kopf: jüdische Klassenkameraden.

https://www.dubistanders.de/mediafiles/lightbox_view/1507 (aufgerufen 18.10.2019)  Foto: Yad Vashem

Eröffnungsfeier des Großen Gartens in Herrenhausen im Juni 1937. Gauleiter Bernhard Rust marschiert mit Hitler-Gruß an der HJ vorbei. Rust lehrte von 1911 bis 1930 am Ratsgymnasium in Hannover und betrieb  ab 1934 als Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung die Entlassung von jüdischen und angeblich marxistischen Lehrern aus dem Schul- und Hochschuldienst.
Historisches Museum 14052

Ab 19. September 1935 durften jüdische Schülerinnen und Schüler  öffentliche Schulen nicht mehr besuchen. Ab Mai 1935 gab es in der Lützowstraße eine jüdische Volksschule der Jüdischen  Gemeinde Hannover (Aus Buch: Geschichte der Stadt Hannover). Ab  Juni 1942 wurden alle Schulen für  Kindern und Jugendliche jüdischen Glaubens geschlossen.

1:21 Minuten.

"Plötzlich waren die jüdischen Mitschüler weg!" Zeitzeuge Klaus Hinrich Herren war 12-jähriger "Pimpf" im Jungvolk der Hiter-Jugend und Schüler der Leibnizschule. Er berichtet über den Hass der Nationalsozialisten auf Menschen jüdischen Glaubens in Hannover.



Wissen +  Verstehen = Anwenden

Lesezeit: 30 Sekunden

Schießen, Verstecken, Gegner überlisten und besiegen, körperliche Kräfte messen,  Gemeinschaftsgefühl erleben –  das war für viele Jungen damals (und  ist vielleicht auch heute)  faszinierend. Und wenn dann noch den 10 – 18Jährigen in der Schule  ernsthaft gesagt wurde, „Wissen erwerben sei weniger wichtig als körperliche Ertüchtigung“,  hatten die Nationalsozialisten leichtes Spiel, die Jugend von 1933 bis 1944 für die Vorbereitung zum Krieg zu gewinnen.

 

 

Heute versuchen rechtsextreme und populistische Gruppen, Schülerinnen und Schüler in ihrer Meinung zu beeinflussen.  Wie reagierst Du auf Verächtlichmachung  von Demokratie und politischen Parteien durch Mitschülerinnen und Mitschüler? Schweigst Du oder protestierst Du? Wenn gefordert wird, Lehrerinnen und Lehrer anzuzeigen, die auf die Gefahr von rechtsextremen Parteien hinweisen – was ist Deine Meinung?