4. Parteien versagen - Bürger schauen weg

Hannover sozialdemokratische Mehrheit. KPD und SPD verhindern Generalstreik.  Volkswille. KPD und SPD verboten.


Lesezeit: 5 Minuten

SPD in Hannover stärkste Kraft
Die SPD  in Hannover erzielte bei den Gemeinderatswahlen die absolute Mehrheit im Bürgervorsteher-Kollegium (vergleichbar mit dem heutigen Rat der Stadt),  stellte die stärkste Partei in Hannover und konnte sich rühmen:  „Hannover ist eine sozialdemokratische Stadt“. Sie war Partner der Gewerkschaften und  stolz darauf, sich stets rechtmäßig und verfassungstreu zu verhalten.  Ihre Hochburgen bilden 1932 Linden und Limmer mit 33,5 %, Nordstadt, Hainholz, Vahrenwald  mit je 22 %. In der bürgerlichen List, in Bothfeld, Buchholz, Kleefeld und Kirchrode erreichte sie nur 3 - 6 %.(1)

Links: Wahlkampf in Hannover 1932.

Rechts: Wahlkampf  1933. Blick in die  Dammstraße, heute Bohlendamm.  Fahnen mit Hakenkreuz, Sowjetstern und den 3 Pfeilen der Sozialdemokratischen  „Eisernen Front“.(3)

Bürgerliche Parteien schwenken zur NSDAP
Dennoch gelang es der SPD-Mehrheit  im Stadtparlament nicht, sich gegen den Oberbürgermeister Arthur Menge und die leitenden Verwaltungsbeamten durchzusetzen. Von 1931 bis 1932 fanden keine Ratssitzungen statt.  Die Mehrheits-SPD ließ es sich gefallen, sie konnte ihre Wähler nicht mobilisieren.

In der Politik der „Weimarer Republik“  kämpften drei große Gruppen gegeneinander: die Rechtsparteien wie NSDAP und DNVP,  die Links-Parteien wie  SPD und KPD und traditionelle bürgerliche Parteien wie das katholische Zentrum, DDP, DVP und DHP.
Ebenso wie die Rechtsparteien  NSDAP und DNVP lehnten die bürgerlichen Parteien der Mitte die demokratische „Weimarer Republik“ ab. Ihre Wähler schwenkten mehrheitlich zur NSDAP um. (2)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Arbeiter am Hakenkreuz, Wahlplakat der SPD 1933.

KPD und SPD verhindern eine gemeinsame Abwehr
Nahezu unvorstellbar schien es den Genossinnen und Genossen der SPD,  dass der Reichstag und die demokratischen Parteien von den Nazis oder Kommunisten unterdrückt werden könnten. Ihre überwiegend älteren Mitglieder waren blind gegen die wirklichen Bedrohungen und glaubten, an zwei Fronten kämpfen zu müssen – gegen die Nazis und gegen die Kommunisten. Sie hofften auf ein schnelles Ende des „braunen Spuks“ und wollten ihre Organisation nicht z.B. mit einem Generalstreik gefährden, der angesichts von 6 Mio. Arbeitslosen

und einer gespaltenen Arbeiterbewegung wenig Aussicht auf Erfolg versprach. Die SPD machte die KPD dafür verantwortlich, die Einheitsfront der Arbeiter zu stören. Die KPD  wiederum sah nicht die Nazis, sondern die SPD –  von ihnen „Sozialfaschisten“ genannt - als ihren größten Feind. Denn  sie glaubten, Sozialdemokraten leichter zu sich herüberziehen zu können.  So wurde eine Abwehrfront gegen die Nazis verhindert.

Links: Völkischer Beobachter 31. Januar 1933 Rechts: Niedersächsische Tageszeitung 31.Januar 1933. (4)



30. Januar 1933: Reichspräsident Hindenburg ernannte Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler.  In Hannover veranstaltete die NSDAP einen  „Fackelzug des Sieges“.  5000 Anhänger marschierten  vom Welfenplatz zum Aegidientorplatz, zum Neuen Haus, Lister Platz, und zurück zum Welfenplatz.

Die KPD rief  am 31. Januar 1933 in der „Neue Arbeiter-Zeitung“ zum Generalstreik auf („Massenkampf gegen Hitlerregierung“)  und appellierte an SPD und Gewerkschaften –  ohne Reaktion in der Bevölkerung. Die SPD lehnte eine gemeinsame Aktion mit der Begründung ab, die Führung der SPD  wolle sich ausdrücklich an Recht und Gesetz halten. Stattdessen kündigte sie lediglich in Schlagzeilen der Parteizeitung „Volkswille“ Widerstand an.  

Der „Volkswille, Organ für die Interessen der arbeitenden Bevölkerung in der Provinz Hannover“, war die Parteizeitung der SPD  von 1890 bis 28. Feb. 1933. Nachfolger 1946: Hannoversche Presse

 

 Schlagzeilen  der SPD-Zeitung „Volkswille“ am 1., 2. und 4. Februar.(6)

Im Gegensatz zu den SA-Stürmen der Nazis waren republikanische Organisationen zum Saalschutz und bei Umzügen (z.B. "Eiserne Front", "Reichsbanner" beide SPD) unbewaffnet. (5) 

19.Febr. 1933. Die „Eiserne Front“ war ein Bündnis u.a. der SPD, der Gewerkschaften, des Reichbanners (Veteranenverband der SPD).  Ihr Ziel: die Abwehr radikaler „republikfeindlicher“ Kräfte, insbesondere der  Nationalsozialisten.

Letzte Kundgebung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold der SPD auf dem Klagesmarkt, 26. Febr. 1933 (14)

Die SPD stemmte sich mit Versammlungen am 19. und 26. Februar auf dem Klagesmarkt gegen den drohenden Untergang.




30.000  SPD-Mitglieder  versammelten sich am Klagesmarkt zu einem Demonstrationsmarsch zum Karl-Peters-Platz. 19. Febr. 1933. „Volkswille“ vom 22. Febr. 1933. (15)  (7)


Bürgerinnen und Bürger bleiben  passiv
Die Masse der hannoverschen Bevölkerung  blieb passiv, obwohl doch bei den letzten Wahlen eine Mehrheit nicht nationalsozialistisch gewählt hatte. Weiterer  Widerstand wurde lediglich angekündigt,  überzeugende  Aktionen  unterblieben. Die SPD erreichte - im Gegensatz zur NSDAP - die breiten Schichten des Volkes nicht mehr.
Anders die  NSDAP – sie  ließ  ein riesiges Zelt für 4000 Zuhörer auf dem Welfenplatz errichten. Goebbels, Gauleiter Rust und andere Nazigrößen hetzten gegen Juden, gegen Marxisten und die demokratischen Parteien. (8)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anzeige in der Niedersächsischen Tageszeitung, Februar 1933

Am 27. Februar 1933 brannte der Reichstag in Berlin. Hitler sah sofort die Gelegenheit zur völligen Unterdrückung  von KPD und auch der SPD.

Wahlplakat NSDAP. „Jetzt wird rücksichtslos durchgegriffen“, Völkischer Beobachter 1. März 1933

KPD-Funktionäre verhaftet
4000 kommunistische Funktionäre im Deutschen Reich wurden verhaftet, alle Zeitungen, Flugblätter, Plakate von KPD und  SPD verboten. In Hannover nahm die Polizei im Auftrag ->Hermann Görings  140 KPD-Funktionäre am 28. Feb. um 4.00 Uhr gefangen und brachte sie erst in das Gefängnis Hardenbergstrasse, später in das KZ Moringen. (9)

Niedersächsische Tageszeitung, 1. März 1933 (10)



Die kommunistische „Neue Arbeiterzeitung“ wurde  mehrfach beschlagnahmt, für Wochen verboten und ganz eingestellt. Nach dem Verbot der KPD am 31. März 1933 zogen die Machthaber das Partei-Vermögen ein, die moderne Druckmaschine der „Neue Arbeiterzeitung“  übergab am 1. April  der nationalsozialistische hannoversche Polizeipräsident Johann Habben dem NS-Kampfblatt in  Hannover – der Niedersächsischen Tageszeitung. (11)

 „Neue Arbeiter-Zeitung“ der KPD und der  „Volkswille“ der SPD immer wieder für Wochen verboten.(12)

SPD und bürgerliche Parteien verboten
Der sozialdemokratische „Volkswille“ wurde ebenfalls wegen seiner Berichte mehrfach beschlagnahmt. Der „Volkswille“ erschien am 28. Februar 1933 zum letzten Mal. (13)
Am 22. Juni wurde die SPD verboten, alle  bürgerlichen Parteien lösten sich bis Juli 1933 selbst auf.
Nach nur  einem halben Jahr erreichten die Nationalsozialisten ihr Ziel: Es gab nur noch eine Partei - die NSDAP.  Und die schützte den neuen  Einheitsstaat vor unliebsamen  Konkurrenten - mit dem "Gesetz gegen die Neubildung von Parteien" vom 14. Juli 1933.


Die Demokratischen Parteien und die Bürger hatten versagt.



Auf einen Blick:


SPD und KPD bekämpfen sich gegenseitig.  
Gemeinsame Abwehraktionen  - wie z.B. ein Generalstreik -  gegen die Nazis finden nicht statt.
Die Bürger nehmen das Verbot von KPD und SPD hin.
 Es gibt nur noch eine Partei: die NSDAP