3. Die Schlägertrupps der SA

Aufmärsche SA und SS in Hannover. SA Gründung 1926  Hannover Spichernhöhe. SA Sturm- und Trupplokale Hannover. Kreuzklappe. Folterung Wilhelm Fahlbusch. Reichsbanner Hannover. Viktor Lutze. Karl Dinklage.

11. Februar 1933: SA-Angehörige des NS-Kraftfahrkorps auf  dem Weg zum Parteihaus  Kurze Straße, nahe Lange Laube. Die Kurze Straße hieß 1933 – 1945 „Karl-Dincklage-Straße“  – benannt nach dem norddeutschen SA-Führer.(1)


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"Vier Millionen Rabauken"

Die Wahlkämpfe der 20er Jahre: ständig  kam es zu brutalen Schlägereien zwischen den politischen Gegnern.  Die NSDAP-Ordnertruppe SA (= Sturm-abteilung) sollte nicht nur eigene Wahlveran-staltungen schützen, sondern als Schlägertruppe auf Straßen und Plätzen Zusammenstöße mit der SPD und besonders der KPD entfachen und dem Gegner Angst einjagen. Als Parteihilfstruppe griff sie z.B. auch Juden und die katholische  Kolping-Jugend an. Die Zahl der Männer in einer Uniform mit braunen Hemden, Reithosen  und Armee-Stiefeln wuchs von 1924  bis 1933 auf fast 500.000, 1934 auf 4 Millionen in Deutschland an. Damit war die SA zahlenmäßig stärker als die NSDAP, als Polizei oder Reichswehr.  SA-Führer ->Ernst Röhm: „Bedenkt, fast 4 Millionen Rabauken stehen hinter mir!“  (2)

Der Bevölkerung gingen die ständigen Straßenschlachten auf die Nerven - sie wünschten sich ein Ende - und wählte die NSDAP.

Links: Uniform der „Braunhemden“ . (8)

Rechts: SA-Sturm überrennt politische Gegner. Karikatur aus "Niedersächsische Tageszeitung", 2. März 1934 (4).

 

Eine Unterabteilung bildete die SS (=Schutz-Staffel), die als „Leib- und Prügelgarde“ von Hitler 1926 gegründet wurde und innerhalb der SA Polizeidienste versah. In Hannover gründete der Heizer und SA-Führer Wilhelm Bartling, geb. 1887, Voßstrasse 46, die SS. Sie trat erstmals am 13.9.1928 öffentlich auf. (3)

 Aufmarsch SA an der Christuskirche 1932. (6)

SA und SS bereiteten  sich in der Charlottenstraße auf  einen  Propaganda-Marsch gegen das „linke Linden“ vor. 1933. (7)

Sturm-  und Trupplokale
SA (und die SS) in Hannover wurde 1926 im „Restaurant  zur Spichernhöhe“  gegründet. Neben Verkehrslokalen als Stützpunkte (hier verkehrten überwiegend Mitglieder der NSDAP, der Besitzer war Parteigenosse) gab es Sturmlokale bzw. Trupplokale, in denen sich die SA-Stürme versammelten und sich Mut antranken zur Vorbereitung von Schlägereien mit Mitgliedern von KPD  und SPD.




SA marschiert am 18.6. 1933  zum gemeinsamen "Appell" aller Trupps, Stürme und Standarten im Eilenriedestadion (22)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Platz an der Kreuzkirche 1933. Im Hintergrund das Gasthaus „Kreuzklappe“, das älteste Verkehrslokal der SA. Von hier aus planten die SA-Stürme ihre Angriffe auf Kneipen der SPD und der KPD. (9)

Der Wirt des berüchtigten SA-Lokals „Lister Brunnen“  in der Voßstraße 39  wurde „Nazi-Paul“ genannt. Heute heißt die Gaststätte  „Plümecke“ und gehört zu den Kultlokalen in der List.  
Aus SA-Gaststätten wie die „Kreuzklappe“ des SA-Sturms 100 neben der Kreuzkirche oder „Michels“ in der Knochenhauerstrasse schwärmten  SA-Trupps nächtlich aus, um bei Passanten in der Schiller-, Goethe-, Steintor- und Scholvinstraße nach Waffen

zu suchen und Verdächtige zu verprügeln. Im Keller der Gastwirtschaft "Blume" in der Schützenstraße folterten SA-Männer des Sturms 13/73  auf Befehl ihres Sturmführers Iven das KPD-Mitglied Wilhelm Fahlbusch zu Tode. Die Nachbarn hörten die unerträglichen Schreie aus den Folterkellern,  die Polizei durfte erst nach Rücksprache mit dem Polizeipräsidium einschreiten. (10)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Polizeibericht über Folterung und Tod von Wilhelm Fahlbusch durch die SA. (12)

Links: Anzeigen für  Verkehrs- und Sturmlokale der SA. NS-Broschüre 1932.(10)
Rechts: Sturm- und Trupplokale der  SA-Standarte 73.(11)



SA-Führer in Hannover

1930 bestand die SA in Hannover aus 150 Mitgliedern: dem  SA-Sturm 1 Hannover-Stadt. Die hohe Arbeitslosigkeit zog junge beschäftigungslose  Männer an, es entstanden schnell neue Gruppierungen: der  SA-Sturm 100 Hannover-Linden, der SA-Sturm 75 Hannover- Nord,  der Sturm 44 Hannover-Nord-West, der Sturm 69 Hannover Oststadt. Ende 1930 gab es in Hannover 7 Stürme und  900 SA-Männer. Befehlshaber waren  SA-Obergruppenführer Victor Lutze, ab 1934 SA-Brigadeführer Fritz Vielstich. (12)

->Viktor Lutze
Trat 1922 in die NSDAP ein. Mitgliedsnummer: 84 (!).  Ab 1933 SA-Obergruppenführer in Hannover und Oberpräsident. Vom 16.2. bis 25.3. 1933  Polizeipräsident von Hannover.  Stieg nach dem -> „Röhmputsch“ am 30.4. 1934 zum Stabschef der SA auf. Machte sich keine Freunde.
Goebbels Tagebuch 1937: „Lutze benimmt sich maßlos dumm und quatscht wie immer nur Blödsinn“. Trat 1941 zurück. Hitler schenkte ihm für seine blinde Ergebenheit 154.000 Reichsmark. G. (13)

August Ihle, (Mitte) Standartenführer der Standarte 13. Der Führer des Sturm 13/73 Iven ließ das KPD-Mitglied Fahlbusch zu Tode folterten.(14)

->Karl Dincklage
Die SA-Standarte 73 trug auf Befehl Hitlers den Namen „Dincklage“.  Der ehemalige Major Karl Dincklage zog ab 1924 als Propagandaredner (Spitzname „Rucksackmajor“) für die Nazis durch  Norddeutschland. Befördert zum  „Obersten SA-Führer Stellvertreter Nord“.  (15) Das Gebäude der NSDAP-Gauleitung  Süd-Hannover-Braunschweig  in der Dincklagestrasse – ehemals Kurze Straße –  trug seinen Namen (16)

Straßenterror
Von 1930 - 1933 griff die  SA in Hannover immer wieder Partei- und Gewerkschaftsbüros an und provozierte Schlägereien bei Aufmärschen und Kundgebungen vor allem der KPD und der SPD - bewaffnet  mit Revolvern, Gummiknüppeln, Eisenstangen, Stuhlbeinen, Messern.



Das Ziel der SA: Einschüchterung des politischen Gegners, Steigerung ihrer Beliebtheit bei konservativ-national eingestellten Hannoveranerinnen und Hannoveraner in der List, Kleefeld und Kirchrode. Denn beim bürgerlichen Lager sollte der Eindruck erweckt werden: die Straßen seien unsicher, die Demokratie sei schwach. Nur ein starker Führer wie Adolf Hitler könne Einigkeit und Ordnung schaffen.


Am 21. Februar 1933 störten ca. 100 SA-Männer eine Wahlversammlung der SPD in der "Gaststätte Rahlfs" und griffen die Teilnehmer an. 11 Personen wurden verletzt. Die gleiche Gruppe zog zu einer weiteren SPD-Versammlung zum Lister Turm.  Dort eröffneten SA-Trupps, hinter Büschen und Bäumen am Rand der Eilenriede versteckt, das Feuer.  19 Mitglieder des sozialdemokratischen Reichsbanners wurden schwer verwundet.

Feuerüberfall am Lister Turm. SPD-Zeitung „Volkswille“ vom 23. Feb. 1933 (18)



Der Heizer Wilhelm Heese und der Dreher Willi Großkopf starben. Nach ca. 150 Schüssen verschwand die SA. Da die Polizei ab 16.2. 1933 von Polizeipräsident und SS-Obergruppenführer Viktor Lutze geführt wurde, gab es  keine Ermittlungen gegen die Mörder. (17) --> Machtübernahme und Gleichschaltung

Lister Turm, Gedenktafel  Wilhelm Heese  und Willi Großkopf. (19)

Die Trauerfeier am 25. Feb. 1933 war eine  der letzten großen Demonstrationen von Gegnern der Nationalsozialisten in Hannover. Der Trauerzug bewegte sich über 1 Stunde von der Odeonstraße zum Seelhorster Friedhof. (20) Die letzte öffentliche SPD-Versammlung vor den Reichstagswahlen am 5. März fand am 3. März  im Lindener Stadion -  ohne  SPD-Spitzenkandidaten - statt. So unterbanden die Nationalsozialisten die freien Wahlen in Hannover.

 Trauerzug der SPD am  25. Febr. 1933 zum Seelhorster Friedhof. (21)

 



Auf einen Blick:
Die Sturmabteilung SA greift  SPD und KPD auf der Straße an.
In „Sturmlokalen“ foltern  SA-Männer politische Gegner zu Tode.
Die Bevölkerung wünscht sich bald ein Ende des politischen Terrors – damit hat die  NSDAP ihr Ziel erreicht:
Die Nazis werden vom Bürgertum  als neue Ordnungsmacht ersehnt.