„Wer sind wir? Pimpfe! Was wollen wir werden? Soldaten!“

Hannoversche „Pimpfe“ (Bezeichnung für 10 – 14Jährige im Jungvolk der Hitler-Jugend) bei militärischen Übungen, 7.-15. September 1937. Historisches Museum Hannover, 07960


Strammstehen und marschieren: vor dem Heimabend, beim Geländedienst, im Zeltlager

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Am 19. Mai 1933 stürmten die Nationalsozialisten vom Klagesmarkt aus das ehemals „rote“ (weil überwiegend kommunistisch und sozialdemokratisch wählende) Linden. Bewaffnet mit Schlagstöcken und Pistolen schalteten die SA*  jeden Widerstand aus. Unterstützt wurde die berüchtigte Schlägertruppe von der Ortsgruppe der hannoverschen Hitler-Jugend - gegründet 1928 vom späteren stellvertretenden Gauleiter Kurt Schmalz und der SA unterstellt. Geschichte der Stadt Hannover, Klaus  Mlynek, Waldermar R. Röhrbein, 1994
Die 10- bis 14-jährigen Jungen bildeten das Jungvolk – auch Pimpfe genannt. Erst die 14– bis 18-Jährigen bezeichneten sich als Hitler-Jugend. Mädchen im Alter von 10 – 14 Jahren hießen Jungmädel, 14- bis 18-Jährige wurden im Bund Deutscher Mädel  zusammengefasst.


 *= Sturmabteilung der NSDAP, die eigene Wahlversammlungen schützte und die Wahlversammlungen von  politischen Gegnern mit körperlicher Gewalt störten

 

Weil  die männliche deutsche Jugend vor allem zum Kämpfen erzogen werden sollte,  befahl der preußische Kulturminister und Gauleiter von Hannover, Bernhard Rust, allen Schulen ab 26. August 1933  zwei Nachmittage in der  Woche von Schulaufgaben freizuhalten, ab Januar 1941 jeden Nachmittag ab 13.30 Uhr. Denn jedes Mitglied der Hitler-Jugend wurde  verpflichtet,  Jugenddienst in der HJ zu leisten.

 

Zum Beispiel legte der Sommerdienst 1938 für den damals 15jährigen Walter Morawitz fest:
- Jeden Mittwoch ab 20.00 Uhr Heimabend
- Jeden Freitag ab 20. 00 Uhr Sportabend
- Jeden 1. Sonntag im Monat von 8.00 – 16.00 Uhr: 

  Wehrertüchtigung (Schießen, Geländespiele, 

  Orientierungsläufe)
- Jeder 3.  Sonntag im Monat Wochenendfahrt

  Freitag-Nachmittag bis Samstag-Nachmittag.
- Großfahrt nach Schlesien für 1000 Hitler-Jungen 

  aus Hannover
- Zeltlager auf dem Hasselberg bei Northeim

Vergleiche Dokument "Sommerdienstplan 1938" links unten.
Stadtarchiv Hannover  - siehe auch Bild-Dokument  unten.



"Ich bin deutscher Abstammung und verspreche... die Bewegung als aufrichtiger Deutscher entsprechend der nationalsozalistischen Weltanschaung mit all meinen Kräften zu fördern und den Anordnungen meiner Führer stets Folge zu leisten." Aufnahme-Formular für die Hitler-Jugend 1936
Stadtarchiv  Hannover, HR 31

 

 

Sommerdienstplan 1938. Dienst an Nachmittagen, Wochendendfahrten, Großfahrten und Zeltlager wurden zum Pflichtprogramm der Hitler-Jugend.

Stadtarchiv Hannover, HR 31

 

 

 

 

 

 

 

Feierliche Aufnahme von 1800 hannoverschen 14jährigen Pimpfen in die Hitler-Jugend  am Vorabend von  „Führers Geburtstag“ vor dem Neuen Rathaus. Jungbannführer Rokahr:„stellt die ungeschriebenen Gesetze, … heraus: Die Treue zum Führer und die Kameradschaft, aber auch das Gesetz des Schweigens und des Gehorsams.“
Niedersächsische Tageszeitung, 20.4. 1938,
Stadtarchiv Hannover, NR. 1.03 Presseamt 297

1:02 Minuten.

Miterlebt: Schikane in der Hitler-Jugend. Zeitzeuge Ernst Schlink beobachtete als 9-Jähriger Schikanen in der Hitler-Jugend und beschloss, niemals mitzumachen.

Antreten zum Fahnenappell!
Hannoversche  Hitler-Jungen im Wochenendzeltlager  am 26.07.1938  auf dem Hasselberg bei Northeim.                      Typischer Dienstplan eines HJ-Lagers:
Wecken – Geländelauf – Flaggenhissen – Weltanschaulicher Vortrag – Leibesübungen bis Mittag – nach kurzer Pause Leibesübungen – Geländesport – Luftgewehrschießen. Abends Flaggenapell – Lagerfeuer – Zapfenstreich (z.B. Trompetensignal  als Beginn der Nachtruhe). Viele Jungen waren froh, zeitweise dem autoritären Elternhaus entkommen zu sein. Aber die straffe Organisation bot keine Rückzugmöglichkeiten des Einzelnen. Stattdessen: Aktivitäten rund um die Uhr. https://www.lwl.org/301av-download/pdf/Koch.pdf (aufgerufen 18.10.2019)
Historisches Museum Hannover, 027517

 

 

„Als Gast bei den Pimpfen des Fähnleins H, die ihren zackigen Schleifnachmittag hatten.“ Mit dieser Überschrift warb die Redaktion des  Hannoverschen Tageblatts am 28. März 1937 für die bevorstehende Aufnahme des 14jährigen Jungvolks am 20. April in die Hitler-Jugend. „Schleifen“ meinte harte militärische Ausbildung – wie z. B. 20 Kniebeugen bei geringsten  Verstößen gegen die Disziplin oder die Uniformordnung. Siehe unteres Bild.

Stadtarchiv Hannover, NR 103, Presseamt

Jährlich wurde der Gautag  (Gau = Verwaltungsgebiet der NSDAP)  in Hannover  gefeiert. Hitler-Jugend marschiert  im Juni 1938 in schier endlosen Kolonnen über den Aegidientorplatz. Historisches Museum Hannover  024793



Wissen + Verstehen = Anwenden

Lesezeit: 40 Sekunden
Die Fahne der Hitler-Jugend –  roter Hintergrund, Hakenkreuz auf weißem Band -  wurde zum Sinnbild des Kampfes für den Nationalsozialismus. Die Lieder handelten von Tapferkeit und Einsatz bis in den Tod (!), was die meisten als Phrase, nicht als bitteren Ernst empfanden. Im Gegenteil: starke Worte lieferten ein künstliches Selbstbewusstsein und  ein trügerisches Überlegenheitsgefühl.  Noch brauchten die Versprechen von Tapferkeit und Opferung des eigenen Lebens für den Nationalsozialismus nicht eingelöst zu werden.

Das spartanische  Leben in Lagern galt als die Lebensform der Jugend  im Nationalsozialismus. Im Lager, beim Heimabend und beim sonstigen Dienst in 

der  Formation sollte jegliches individuelle Denken abgetötet werden. Eigene Meinungsbildung und eigene Positionen waren nicht erlaubt. Der HJ musste man sich bedingungslos unterwerfen.

Nach Meinung Hitlers kam „diese Jugend nicht mehr frei ihr ganzes Leben ….“ (Höre die Original-Rede Hitlers vor HJ-Angehörigen in Reichenberg 1938: https://www.dubistanders.de/Sophie-Scholl/Diese-Einstellung-hatte-Hitler-zur-Hitler-Jugend (aufgerufen 18.10.2019)
Welchen Einfluss wollen politische Jugendorganisationen vom rechten und vom linken Rand heute auf die Jugend ausüben? 
Was bedeuten Verachtung der Demokratie und der Pressefreiheit (Stichwort "Lügenpresse"), das Beschwören der Gefahr von außen (Stichwort Fremdenhass), das Absprechen von "Deutsch-sein" für Menschen mit Migrationswurzeln, für Dich persönlich? Welche Parallelen zur Hitler-Jugend siehst Du?